
Kleine, große Motzemieze
„Cat Problems“ – so lautet der Titel des Bilderbuchs im Original. Andreas Steinhöfels Übersetzung bringt es aber besser auf den Punkt: Kleine, große Motzemieze. Diesen Namen hat sich die Katze in diesem Buch redlich verdient:
Der Tag beginnt für die flauschige Mieze gar nicht gut. Sie wird „unsanft“ vom weiterziehenden Sonnenstrahl geweckt, was ihr den Start in den Tag schon mal verhagelt. Und dann ist da noch diese andere Katze, die immer genau da sitzt, wo doch eigentlich die Motzemieze gerne sitzt. Und von der Qualität des Futters ganz zu schweigen. Null serviceorientiert, diese Zweibeiner! Und…
„Nichts zu tun, und dazu so ein leichtes Hungerfühl. Vielleicht miaue ich einfach ein bisschen. Mal sehen, ob was dabei rauskommt… Miaaau! Miaaau! Miaaau!…“
John, Jory; Smith, Lane (2022): „Große, kleine Motzemieze“, übers. von Andreas Steinhöfel. Hamburg: CARLSEN Verlag, S.31.
Wer würde da nicht mit ihr fühlen?
Diese Katze hat keine Probleme – sie findet sie
Der Charakter der Motzemieze zeichnet sich durch ihre Miesepetrigkeit aus und wird durch ihre hohen Ansprüche formvollendet. Maunzend zieht sie durch die Wohnung, wähnt sich in einem tristen Leben und spart nicht an Selbstmitleid.
Das Eichhörnchen vor dem Fenster möchte der ständig klagenden Katze aber die Augen öffnen. Es erklärt ihr in einem langen Monolog, warum die Wohnungskatze gar nicht so arm dran sei, wie sie zu meinen glaubt.
Doch alles Reden ist vergebens. Immerhin sprechen wir hier von einer Motzemieze. Einsicht gehört nicht zu ihren Tugenden.
Sei es drum. Wer selbst eine Motzemieze zu Hause hat, wird verstehen. Aber zum Glück hat so eine Katze ja auch ganz andere Qualitäten, wofür wir sie lieben und ihr Gejammer gern ertragen.
Alle Ehre gebührt dem Autor – und dem Illustrator, der Book Designerin, dem Lektorat, dem Übersetzer, dem Vertrieb u.v.a.
Geschrieben wurde das Buch von Jory John, der bereits viele Bücher für Kinder und Erwachsene veröffentlicht hat. Seine Geschichten enthalten oft eine Prise schwarzen Humors und zeigen so, dass einige Probleme gar keine sein müssen. Auf die Perspektive kommt es an!
Zusammen mit dem Illustrator Lane Smith hat John so manches schöne Kinderbuch entworfen. Smith wurde darum 2012 zurecht vom Eric Carle Museum zum Honor Artist für seine lebenslange Innovation im Kinderbuchbereich ernannt.
Über Smiths Arbeitsweise könnt ihr mehr auf seiner Website erfahren. Dabei lohnt sich ein Blick in seine eigens aufgestellten FAQs. Da er nicht gern vor Publikum spricht, hat er diese Seite eingerichtet und beantwortet ernste und ernsthaft komische Fragen über sich selbst.
Aber für so ein tolles Buch braucht es mehr als nur einen witzigen Autor und begabten Illustrator. Lane Smith verweist auf seiner Seite darum auch auf die Rolle von Molly Leach, der Book-Designerin von „Kleine, große Motzemieze“. Smith sagt, er mag zwar derjenige sein, der diese urkomischen Zeichnungen geschaffen hat – arrangiert wurden sie jedoch von Molly Leach. Er betont, dass seine Werke erst durch ihr Können den nötigen Feinschliff erhalten. Smith bedauert es daher, dass Leachs Arbeit nicht ebenso geschätzt wird:
“She makes everything I do 100 times better but since most people don’t know what a designer does, I usually get all the credit. This isn’t fair.“
Ich finde es großartig, dass er Molly Leach, die übrigens auch mit Smith verheiratet ist, eine Bühne gibt. In seinen FAQs beschreibt er, welche wertvolle Arbeit Leach als Book Designer leistet. Und das ist absolut wichtig. Oft genug werden künstlerische Werke als Einzelleistung dargestellt. Das wird an Kinofilmen besonders deutlich, die oft nur mit Hauptdarsteller*innen oder ihren Regisseur*innen in Verbindung gebracht werden.
Wie oft verlassen die Menschen fluchtartig den Kinosaal, sobald der Abspann beginnt? Klar, Abspänne sind meist unattraktiv zu lesen. Aber sich zu vergegenwärtigen, wie viele Menschen an einem einzigen Film mitwirken, ist eine überwältigende Erkenntnis. Und genauso verhält es sich auch mit Büchern. Ohne die vielen Übersetzer*innen, Verlagsmitarbeiter*innen und Buchhändler*innen kann der Erfolg eines Buchs auch auf der Strecke bleiben. Also danke an euch, für eure wichtige Arbeit, und an Lane Smith für diesen bedeutsamen Hinweis.
Wie Molly Leach und Lane Smith miteinander arbeiten, darüber gibt ein kurzes Video vom US-amerikanischen Buchhändler Barnes & Noble Aufschluss.
Giraffen und Pinguine haben auch Probleme
„Cat Problems“ ist Teil der Reihe „Animal Problems“. Zwei weitere Titel sind „Giraffe Problems“ und „Penguin Problems“. Es überrascht, dass die Titel im Deutschen so sehr vom Original abweichen. „Giraffe Problems“ wurde zu „Roberta & Henry“ und „Penguin Problems“ zu „Paule Pinguin allein am Pol“. Die Gründe für diese Umbenennung erschließen sich mir leider nicht. Vielleicht war zu Beginn nicht klar, dass aus „Penguin Problems“ eine Reihe entstehen würde und eine Änderung des Titels dann eher irritiert hätte? Wer weiß.


Eine Konstante gibt es dann aber doch – und die finde ich sehr erfreulich: Auch die anderen Bände wurden vom Autor Andreas Steinhöfel übersetzt. Ich bewundere seine Arbeiten sehr und wie gesagt: „Kleine, große Motzemieze“ bringt es auf den Punkt. Dieses Buch macht auch großen Katzenfreund*innen riesig Spaß.
Titel: Kleine, große Motzemieze
Autor: Jory John
Illustrationen: Lane Smith
Übersetzung: Andreas Steinhöfel
ISBN: 978-3-551-52182-8
Hardcover, 48 Seiten: 15,- €
Empfohlen ab 4 Jahren